Mit dem Körper beten?!

Vielleicht denken Sie beim Lesen verwundert, vielleicht sogar empört „wie soll das denn gehen?“ Vielleicht sind Sie neugierig geworden?

Unser Körper spricht mit unserer Seele und unsere Körperhaltung erzählt, wie es uns geht.

Sicher kennen Sie dies – Sie treffen eine Freundin, sehen sie an und wissen, es geht ihr heute nicht besonders gut. Warum Sie das nach kurzem Blick wissen? Der Körper verrät dies. Die Schultern sind nach vorne gezogen, der Kopf ist etwas geneigter, der Gesichtsausdruck erschöpft, müde oder gequält. Dem Körperausdruck fehlt die an der Freundin gewohnte Spannung, Vitalität. Bei sorgender Nachfrage erhalten Sie eine Ihre Vermutung bestätigende Antwort. Rückenschmerzen, Kopfschmerz, Ärger oder Sorgen sind die Ursache.

Sind wir betrübt, niedergeschlagen, gefrustet oder fühlen wir uns nicht wohl, so gelingt es manchmal trotz guten Selbstzuredens nicht, aus dieser Stimmung herauszukommen. In solch eine Situation hinein spricht der Psalmbeter im 121. Psalm des Alten Testamentes:

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen,

woher kommt mir Hilfe?

Meine Hilfe kommt vom HERRN,

der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,

und der dich behütet, schläft nicht.

Siehe, der Hüter Israels

schläft und schlummert nicht.

Der HERR behütet dich;

Der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

dass dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

Der HERR behüte dich vor allem Übel,

er behüte deine Seele.

Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang

von nun an bis in Ewigkeit!“ *

 

Der Psalmbeter spricht in eine Situation der Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit hinein. Dabei fängt er mit etwas ganz Wesentlichem an, nämlich mit der Beschreibung seiner Körperaktivität. In seiner ganzen Hilflosigkeit erinnert er sich, woher ihm Hilfe kommt. Vom HERRN, von „oben“. Er hebt seine Augen auf zu den Bergen, d.h. er hebt den gesenkten Kopf und schaut nach oben. Der Blick in die Höhe hebt auch die Stimmung. Zuversicht und Mut bekommt wieder Zugang zur bekümmerten Seele. Wie kann das gehen? Es ist ein geheimnisvolles Zusammenspiel zwischen Körper und Seele: ein Strecken, ein Aufrichten bewirkt auch ein Durchatmen, tiefes Einatmen und somit eine Aktivierung der Energie im Körper. Dies erhebt auch die Seele. Das allein ist es natürlich nicht, dadurch wird mein Kummer nicht beseitigt – aber die Blickrichtung wird geändert, Energie kehrt ein. Dann wenden sich auch die Gedanken. Hier im Psalm erinnert sich der Beter, dass er gelernt, bereits erfahren hat, dass seine Hilfe vom HERRN kommt, der ihm Schutz und Beistand gibt. Dieses sich wieder ins Gedächtnis zu holen und sich auf diese Zusage und Aussage Gottes zu berufen, gibt ihm Neuorientierung, Mut und zuversichtlichen Willen. Der HERR wird mich nicht zuschanden kommen lassen, ER behütet mich, ER ist Schatten in der Hitze und Licht in der Nacht. ER behütet vor allem Übel, Gott behütet meine Seele. Allein schon sich diese Bilder vor das innere Auge zu holen, bewirkt eine Veränderung des momentanen Denkens und Empfindens.

Probieren Sie doch einfach einmal die Wirkung der Körperhaltung auf Ihren Emotionszustand aus:

Senken Sie den Blick zu Boden, dabei die Schultern hängen und alles „erschlaffen“ lassen. Verharren Sie in dieser Haltung. Achten Sie auf Ihre innere Stimmung in dieser Position. Nach einiger Zeit richten Sie sich nun auf, heben den Kopf in die Höhe und strecken langsam beide Arme nach oben. Verharren Sie auch hier einige Zeit. Wie fühlt sich Ihre innere Stimmung nun? Fühlen Sie sich anders?

Diese Erfahrung gilt es immer wieder zu praktizieren, einzuüben. So wurden die Psalmlieder immer und immer wieder gesprochen, gebetet. Damit wurden sie auswendig gelernt und somit verinnerlicht.

Ich wünsche Ihnen eine gelingende Verinnerlichung dieser Erfahrung, die dem Leben in seinen mutlosen Momenten scheinbar mühelos eine andere Blickrichtung eröffnet.

 

*Aus: Lutherbibel erklärt, Bibelanstalt Stuttgart

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