„Weihnachten kann man sich langsam abgewöhnen!“ – Die Geschichte der Wehrkirche von Kraftshof – „Halleluja“

Kürzlich war ich in Berlin in der U-Bahn unterwegs und wurde unfreiwillig kurzfristige Mithörerin einer Unterhaltung zweier junger Männer. Ich horchte auf, als einer der Beiden eher so im Unterhaltungston sagte: „Na ja, Weihnachten kann man sich jetzt auch langsam abgewöhnen.“ „Ja“ sagte der andere, „es ist ja gar nicht mehr so wie es früher mal war. Das ist langsam out“ …. Leider musste ich aussteigen – das Thema hatte mich angesprochen und ich hätte gerne noch mehr dazu erfahren. Aber die Aussagen klangen in mir noch einige Zeit nach. Am nächsten Tag hörte im Radio beim Frühstück das „Halleluja“ von Händel geschmettert. Gleich nach den Corona Updates. Das passte ja gar nicht zusammen! Oder vielleicht doch? Wieder zu Hause musste ich mich dann aus gegebenem Anlass mit der Geschichte einer kleinen Wehrkirche in Kraftshof im Nürnberger Land und damit auch mit dem Leben der Menschen seit dieser Zeit auseinandersetzen. Auch das noch – wo ich doch keine Zeit habe, war mein innerlicher Aufschrei. Doch dann fesselten mich diese 3 Themen und ich fand eine Verbindung.

Doch kurz erst mal ein paar Daten zu Geschichte dieser Wehrkirche: Gebaut wurde das Kirchlein 1315. Die Freude der Bauern an ihrer Kirche währte nicht allzu lange. Große Kümmernisse plagten die Menschen. 1346-53 wütete die Pest. Knapp 100 Jahre später kam der Ersten Markgrafenkrieg 1449–1450, dann folgte der bayerische Erbfolgekrieg 1504-1505, nach kurzer Erholung der Zweiten Markgrafenkrieg (1552-54), 1618 folgte der Dreißigjährige Krieg, letzte Kriegszeiten waren der Erste Weltkrieg von 1914-18 der und dann von 1939-45 der 2. Weltkrieg.

Uff – so viel Geschichte! Das ist doch Schnee von gestern. Heute haben wir ganz andere Sorgen! denkst Du vielleicht. Heute sind die Menschen weltumspannend erschüttert, verunsichert, verängstigt durch einen Virus. Wir lernen, Abstand vom Anderen zu halten, auf Distanz zu gehen, unsere Mitmenschen – bis in die Familie hinein - zu meiden. Desinfektion – sprich penible Säuberung von den Spuren anderer Menschen - wird uns zur Pflicht und Gewohnheit. Freundschaftliche herzliche Umarmungen – vorerst wieder ein Tabu. Wie verändert dies Denken und Verhalten uns wohl in unserem Dasein und unserer Seele?

Ich stoße auf ein Zitat von Helmut Kohl, welches er 1995 vor dem Deutschen Bundestag sagte:

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Dieser Satz birgt viel in sich. Die Vergangenheit bedenken. Das heißt auch, mal weg von mir schauen, auf das Leben der Vorfahren blicken. Hier fügt sich die Wehrkirche und ihre Geschichte ein. Wie hielten die Menschen all dies Leid nur aus. Immer wieder Bedrohung durch Kriege. Die lange Zeit der Pest – von 1346-53 wütete der schwarze Tod, wie eine der verheerendsten Pandemien der Weltgeschichte bezeichnet wird, mit geschätzte 25 Mio. Todesopfern – einem Drittel der damaligen Bevölkerung. Wenn man damit unsere Pandemie vergleicht? Der 30jährige Krieg versetzte die Bevölkerung fortwährend in Angst und Schrecken. Dreißig Jahre ständiger Verunsicherung, Plünderung, Vergewaltigung, Hunger, Tod.

Wie hielten die Menschen dies damals nur alles aus? Da sind vergleichsweise unsere Sorgen mit der Corona-Pandemie doch geringer einzuschätzen. Und doch ist dies unsere Realität. Sie bedrückt und ängstigt uns – den einen mehr – den anderen weniger. Doch es gibt niemanden – weltweit – der nicht in irgendeiner Weise damit konfrontiert wird. Da kann der Mut schon sinken, die Angst das Dasein lähmen.

Der „Heilsbringer Impfung“ hat eigentlich versagt. Waren wir glücklich, geimpft, und damit geschützt zu sein, ist diese Sicherheit auch wieder dahin.

„Woher kommt mir Hilfe?“ So rief auch der Beter voller Verzweiflung im Psalm 121 im Alten Testament ungefähr 1000 Jahre v. Chr.

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe?

Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird deinen Fuß nicht wanken lassen, und der dich behütet schläft nicht.

. . . Der Herr behütet dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. .  . .“

Diese Verbundenheit mit Gott, das Wissen um seine Existenz, das Wissen, sich Ihm anvertrauen können, sich bei ihm geborgen zu wissen, das tröstete die Menschen früherer Generationen. Doch auch wenn wir in die jüngere Vergangenheit blicken, finden wir solche Zeugnisse des Vertrauens und Anvertrauens in Gott. In Gestapo-Haft schrieb 1944 Dietrich Bonhoeffer, ein Theologe und NS-Widerstandskämpfer, ein Gedicht als Weihnachtsgruß an seine Verlobte und seine Eltern. Dies wissend um seine nahende Hinrichtung und nach 19 Monaten Haft.  Es ist sein letzter erhaltener Text vor seiner Hinrichtung am 9. April 1945:

Von guten Mächten treu und still umgeben,
Behütet und getröstet wunderbar,
So will ich diese Tage mit euch leben
Und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
Noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
Das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
Des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
Aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
An dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
Dann wolln wir des Vergangenen gedenken
Und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
Die du in unsre Dunkelheit gebracht.
Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
So lass uns hören jenen vollen Klang
Der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
All deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
Erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Dieses vertonte Gedicht, wie auch der Psalm 121 geben heute noch Menschen Mut, Trost und Kraft. Sie leihen sich die Sprache der Vorväter aus, wenn die eigene Sprache wortlos, hoffnungslos ist.

Deshalb wird dennoch und erst recht Weihnachten gefeiert. Weihnachten ist nicht zum Abgewöhnen, sondern zum neu entdecken da! Anlass für Weihnachtsfeiern ist der Rückblick in die Vergangenheit unseres christlichen Glaubens. Die Erinnerung an die Geburt Jesu Christi, der den Menschen Erlösung und dadurch Trost, Mut und Kraft für das teils sehr schwierige Leben gab. In diesen Sinne grüße ich Sie mit Händel und wünsche Ihnen gesegnete Advents- und Weihnachtstage.

Halleluja

 

Quellen:

Ps. 121 aus: Schlachter Bibel 2000; 2013, C.H. Beck, Nördlingen

Gedicht Bonhoeffer: Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe Bayern und Thüringen

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