Ich höre, was du nicht hörst

Vanessa und Tom freuen sich schon auf den Freitagabend. Endlich Feierabend, da wollen sie es sich richtig gut gehen lassen. Etwas Gutes Kochen, ein schönes Abendessen und dann ganz entspannt einen Film auf der Couch anschauen. „Du könntest doch mal den Müll runtertragen“ ruft Vanessa Tom zu, der gerade etwas im Wohnzimmer macht. „Ich habe auch den ganzen Tag gearbeitet, nicht gefaulenzt! Immer musst Du an mir herummeckern und mir Vorwürfe machen“ kommt ihr die Antwort ärgerlich entgegen. „So habe ich das überhaupt nicht gesagt!“ „Das habe ich ganz anders gemeint. Du unterstellst mir einfach Dinge und Aussagen, die nicht wahr sind!“ kontert Vanessa und schon ist der größte Streit im Gang. Eigentlich so ganz aus dem Nichts ergibt ein Wort das andere. Tränen kullern, Türen knallen, dicke Luft in der Beziehung. Das leckere Essen schmeckt nicht mehr. Der Abend ist gelaufen.

Kommt Ihnen so etwas bekannt vor? Haben Sie das auch schon erlebt? Dabei hat jeder von beiden recht. Aus seiner Sicht. Was ist schiefgelaufen? Die sachliche Aussage ist meist nicht das Problem. Was dann? Eine Kommunikation wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Ein Faktor ist unsere subjektive Deutung und Bewertung der Aussage.

Die Frage von Vanessa, ob Tom den Müll in die Mülltonne tragen könnte, ist sachlich einfach nur eine Anfrage. Tom jedoch hört in der Frage sofort eine Anklage. „Du Faulpelz, du könntest mich auch ein wenig unterstützen und nicht faul im Wohnzimmer herumsitzen.“ Sofort ist er in Verteidigungsstellung und reagiert entsprechend.

Warum hört Tom einen Vorwurf.

  1. Er hat ein schlechtes Gewissen, weil er Vanessa wirklich die ganze Kocherei und Arbeit für das Abendessen überlässt.
  2. Es gab deswegen früher schon öfter Streit.
  3. Er hört darin die nöligen Klagen seiner ehemaligen Partnerin, die sich immer über ihn beklagte.
  4. Er hat in der Firma große Probleme, fühlt sich überfordert und hat das Gefühl, er mache ständig zu wenig, komme den Anforderungen und Erwartungen seines Arbeitgebers nicht nach und nun überträgt dies auch auf die Situation zu Hause.

Alles könnten mögliche Ursachen für die Eskalation sein.

 

Auch Vanessas verärgerte Reaktionen, ihr sofortiges „Einsteigen“ auf Toms Reaktion hat subjektive Hintergründe. Es ist wirklich so,

  1. dass sie, ebenfalls müde nach einem vollen Arbeitstag, alleine zu Hause das Kochen übernehmen muss.
  2. sie sich schon öfter über das Thema gestritten haben.
  3. sie sich generell von Tom in allem alleingelassen und kaum unterstützt fühlt.
  4. sie einfach auch einen schlechten Tag in der Arbeit hatte und zudem noch Ärger mit ihrer Mutter

Hier hilft es erst einmal durchzuschnaufen, Abstand zu nehmen und dem anderen zu zu hören: „Wie kommst Du den auf die Idee, dass ich dir einen Vorwurf mache?“

Nachfragen: „Wie geht es dir denn? Hast du einen sehr stressigen Tag in der Arbeit gehabt?“

Nachfragen, zuhören, verstehen, nicht werten. Das hilft beiden Partnern. Dann kann es zu einem „Ach so hast du dies erlebt. Nein, ich habe es so … gemeint“. Oder „ja, wenn wir so darüber sprechen, dann stimmt es schon, das war schon mein Grundärger“…

Diese Klärung hilft und bewirkt Wunder. Beide Partner fühlen sich verstanden und angenommen. Ein alter Konflikt wurde angesprochen. Aufgearbeitet.

„Wenn das nur so leicht wäre“, denken Sie jetzt vielleicht. Ja, so leicht ist es nicht immer, aber schon darum zu wissen, erleichtert. Ein Coach/Therapeut kann unterstützend helfen. Als externe, sozusagen unparteiische dritte Person, die Feedback gibt, unterstützend hilft, verstehend korrigiert, ermutigt. So wird Partnerschaft wieder schön und größeren Problemen vorgebeugt.

Wenn ich dann noch höre, wie mein Partner mir lobende Anerkennung gibt, er sie mir klar sagt, nicht „durch die Blume“, wo ich sie nicht höre oder verstehe, dann hat sich doch das Missverständnis, der Streit gelohnt. So kann aus allen Schlechten, aus einer anderen Warte aus betrachtet, etwas Gutes, Hilfreiches entstehen.

So wünsche ich viel Mut und Freude, Ihre Kommunikation etwas unter die Lupe zu nehmen.

Weitere Tipps: Die vier Seiten einer Nachricht verstehen. Schulz von Thun „Miteinander reden Bd. 1“

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